Angst beim oder vor dem Reiten ist nicht so selten, wie es vielleicht den Anschein hat. Oft wird sie nur verdrängt, schließlich sollen ja "die anderen" nicht denken, daß man feige sei. Dabei ist Angst gar nichts schlimmes. Ganz im Gegenteil hindert sie einen daran, sich in Gefahr zu begeben. Daß Reiten an sich durchaus gefährlich ist, brauche ich sicher keinem erzählen. Es ist also eigentlich nichts Schlimmes dabei, ein mulmiges Gefühl beim Reiten zu haben. Angst kann jedoch auch selbst zur Gefahr werden. Genau dann nämlich, wenn man sich selbst nicht mir ihr auseiandersetzt. Pferde sind sehr einfühlsame Geschöpfe, die oft viel besser als wir selbst wissen, wie wir so drauf sind. Sind wir gut oder schlecht gelaunt? Sind wir zuversichtlich? Vertrauen wir dem Pferd? Oder - haben wir vor irgendetwas Angst?
Pferde lassen sich von diesen Gefühlen anstecken. Ist der Reiter unbekümmert und entspannt, so wird auch das Pferd unbekümmert und entspannt sein. Zumindest (wenn es dann doch etwas Gruseliges am Wegesrand sieht) wird es nicht gleich in Panik davonlaufen, sondern sich - vielleicht etwas skeptisch - darauf zu bewegen und erstmal gucken, was das denn so sein könnte. Nehmen wir mal einen alten, knorrigen und vielleicht im letzten Gewitter umgestürzten Baum: Der ist gruselig. Sicher sitzen hinter der hochgeworfenen Wurzel mit der daran noch anhaftenden feuchten Erde Gnome und Trolle! Pferde sind Fluchttiere, daß bedeutet, daß sie ihre Muskeln erst einmal anspannen, um davonlaufen zu können, wenn es notwendig sein sollte. Die Ohren gehen schonmal nach hinten, um zu horchen, was der Reiter "sagt". Verwunderlicherweise (aus Pferdesicht gesehen) sitzt der jedoch total entspannt drauf und freut sich über die angenehme Luft nach dem Gewitter. Als einfühlsamer Reiter hat er den Hinweis des Pferdes auf die vermeintliche Gefahr natürlich verstanden und reagiert darauf (das ist wichtig, da für das Pferd sonst der Eindruck entsteht, der Trottel auf dem Rücken peilt nichts!) - er treibt ein- oder zweimal das Pferd minimal stärker vorwärts als bisher. Oder er nimmt einfach das der Gefahr abgewandte Bein mal etwas heran, um das Pferd seitlich zu begrenzen. Das Pferd weiß nun, daß der Reiter den Baum bemerkt hat, aber selbst keinerlei Gefahr darin sieht. Es wird dem Reiter vertrauen, und (vielleicht vorsichtig und etwas skeptisch und - sobald der Baum vorbei ist auch gern etwas schneller) daran vorbeigehen! Danach ist natürlich Lob unverzichtbar, aber nicht zu überschwenglich, denn es sollte ja nichts allzu Besonderes sein, an einem umgefallenen Baum vorbeizugehen. Es war schließlich keine große Gefahr, die das Pferd gemeistert hat!
Etwas anders wird das Pferd reagieren, wenn der Reiter Angst hat. Sich vielleicht denkt, daß das Pferd sich vor dem umgefallenen Baum sicher erschrecken wird, dann beiseite springt und reißaus nimmt. Im Übrigen wird das Pferd genau das in dieser Situation tun. Warum? Ganz einfach - weil der Reiter bereits das Kommando dazu gegeben hat! Er hat dem Pferd bestätigt, daß der Baum gefährlich ist und man sich am besten davon fernhält. Also wird das Pferd möglichst schnell möglichst viele Pferdelängen zwischen Baum und eigenes Hinterteil bringen.
Warum das so ist? Auch ganz einfach: Durch seine Angst klammert sich der Reiter bereits an das Pferd anstatt locker darauf zu sitzen. Nein, er hat nicht nur die Knie ordentlich dran, das gesamte Bein (und somit auch die Unterschenkel) umschließen das Pferd fest und geben somit treibende Hilfen. Gleichzeitig bereitet sich der Reiter auf die Reaktion (also das Wegspringen) des Pferdes vor - und gibt ihm mit der unbewußten, aber doch deutlich vorhandenen Gewichtsverlagerung die Richtung vor, in die Wegzuspringen und/oder Umzudrehen ist. Warum sollte das Pferd nun etwas anderes tun, wenn selbst der mutige Mensch - das Leittier - hier offensichtlich weg will?
Ein Teufelskreis also - hat der Mensch Angst, verstärkt er die Angst des Pferdes. Hat er keine, fast auch das Pferd sich ein Herz. Was aber nun tun, wenn man seine Angst nicht in den Griff bekommt?
Das ist nicht ganz so einfach. Manche Reiter springen in vermeintlich gefährlichen Situationen einfach vom Pferd. Das halte ich insofern für bedenklich, da es dabei erstens zu Verletzungen kommen kann und zweitens sich das Pferd dadurch im Stich gelassen fühlt. Im Prinzip flüchtet schließlich der Reiter in dieser Situation Hals über Kopf (manches Mal durchaus wörtlich zu nehmen).
Besser ist es, sich langsam an angsteinflößende Sachen heranzutasten. Einfach in ausreichender Entfernung stehen bleiben und das Pferd gucken lassen (loben nicht vergessen). Dann langsam Schritt für Schritt näher heran. Viel mit dem Pferd reden! Das ist sowieso immer wichtig in solchen Situationen. Wenn man das Pferd lieber heranführen möchte, kann man das natürlich auch machen. Dann aber bitte schon außerhalb der "Gefahrenzone" absteigen! Beim Führen liegt der Vorteil darin, daß sich das Pferd nicht in vorderster Front zur vermeintlichen Gefahr befindet, sondern der vertraute Mensch noch dazwischen ist. Und wenn der sich da so herantraut, kann es so schlimm ja nicht sein! Viel Lob ist hierbei natürlich immer erforderlich, denn wenn sogar der Mensch schon Angst vor einem Ding hat, dann ist es für das Pferd natürlich noch viel schlimmer.
Sind noch andere Pferde dabei, kann man die natürlich auch vorgehen lassen. Haben die Kumpels keine Angst, wird auch das eigene Pferd alles als nicht so schlimm empfinden. Außerdem will "Pferd" natürlich mit und da wäre es doch ausgesprochen blöd, wenn man sich an so einem Baum nicht vorbeitraut!
Ganz wichtig ist es aber für den Menschen, sich seiner Angst zu stellen und sie sich einzugestehen. Dann erst kann man die richtigen Rückschlüsse draus ziehen und sich für eine der Methoden entscheiden. Nur so verliert man am Ende die Angst. Völlig verkehrt wäre es, solche Situationen von vorneherein auschließen zu wollen und beispielsweise nur im Schutz der Halle zu reiten, weil draußen "immer alles ganz schrecklich" ist. Das führt nur dazu, daß es draußen immer schlimmer wird (und die eigene Angst sich weiter aufbaut), andererseits aber auch jede kleinste Veränderung in der Halle zu Panik bei Pferd und Reiter führt. Umso mehr Abwechslung Pferd und Reiter im Alltag haben, desto ruhiger und ausgeglichener werden sie. Und es ist kein Versehen von mir, Pferd und Reiter dabei gemeinsam genannt zu haben. Dazu aber später mehr.